Führen in der Krise

Empfehlungen für alle, die sich und andere in Krisenzeiten führen

Durch die Corona Pandemie sind Führungskräfte und Mitarbeiter verunsichert. Es fehlt an eindeutigen Rahmenbedingungen und Beständigkeit. Keiner hat so eine Phase schon einmal erlebt, niemand kann auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Wer weiß schon wie es die nächsten Monate konkret weitergehen wird.

Viele arbeiten nach wie vor im “Schichtbetrieb”, haben teilweise die Kollegen seit Monaten nicht physisch am gleichen Ort gesehen. Es gibt wenig Raum für “mal eben kurz schnacken”, um zu erfahren wie es dem Anderen wirklich geht oder was sie/ihn bewegt. Austausch findet ausschließlich online oder per Telefon statt und ist aufs Nötigste beschränkt. Manche kommen mit dem Home Office gut klar, andere möchten unbedingt wieder im Büro mit den Kollegen arbeiten. Sie halten das isolierte Arbeiten zu Hause oder in leeren Büros kaum noch aus, sie sehnen sich nach Alltag, Normalität und „Sichtbarem“. Der strukturlose Raum macht vielen regelrecht zu schaffen. Einzelne Firmen fangen wiederrum an, die Büros wieder für 50% oder mehr der Personen zu öffnen. Manche haben jedoch schlicht und einfach Angst, sich anzustecken, gehören selbst zur Risikogruppe oder möchten ihre Familien schützen und wollen physische Kontakte so weit wie möglich reduzieren. Einige sind in ein regelrechtes Motivationsloch gefallen, ihnen fehlt es an Perspektive und Struktur. Projekte und Vorhaben sind gestoppt. Viele sind nach wie vor in Kurzarbeit, es ist teilweise unklar, wie es in den nächsten Monaten mit ihrem Unternehmen oder sogar ihrem Arbeitsplatz weitergehen wird.

Herausforderungen im Führen in Krisenzeiten, deine auch?

        Mitarbeiter sind total verunsichert. Sie fragen ungewöhnlich häufig, was sie dürfen, was nicht, wie es weiter gehen wird, was mit ihren Projekten wird. Antworten gibt es momentan keine, jedenfalls keine, die Bestand haben werden.

        Die Stimmung im Team /im Unternehmen ist mies, die meisten haben genug vom Aushalten und Nichtwissen, was kommen soll. Arbeitsplätze sind gefährdet, die Angst geht um.

        Mitarbeiter wirken ausgelaugt und kaputt. Sie haben die letzten Monate mehr Stunden gearbeitet als sonst und hatten privat zusätzliche Aufgaben. Sie bräuchten eigentlich eine Pause.

        Mitarbeiter sind teilweise eher unproduktiv, einige arbeiten weniger als vor Corona. Es fehlt an Nachvollziehbarkeit und Einblick in die Arbeitsergebnisse.

        Du hast das Gefühl, den Überblick über das Teaminnenleben zu verlieren, Austausch und Kontakt mit deinem Team läuft sehr strukturiert und sachlich ab. Es bleibt wenig Raum für das Entstehen von Atmosphäre oder Small Talk.

 

Das Führen auf Distanz mit enormer Unsicherheit, was die Zukunft betrifft, erfordert jedenfalls momentan sehr sehr viel Energie und Durchhalten. Umso wichtiger ist es, in der Rolle als Führungskraft das eigene Verhalten so auszurichten, dass es wieder Orientierung gibt. Wenn du auch mit diesen Herausforderungen in deiner Führungsrolle konfrontiert bist und mit ihnen gerne möglichst effektiv umgehen möchtest, dich fragst, was du als Führungskraft tun kannst, um dein Team in der Krise trotz Ungewissheit und physischer Distanz zu führen, findest du in diesem Text Antworten.

Hier meine vier Empfehlungen, die du sofort umsetzen kannst. Das heißt, dafür benötigst du keine Vorbereitung, kein Seminar, keine Führungsliteratur. Diese vier Tipps kannst du einfach ab morgen machen.

1.       Frag‘ nach: „Was brauchst du, um deine Aufgabe gut zu erledigen?“

2.      Hab‘ Verständnis für Befürchtungen.

3.      Kommuniziere eindeutig.

4.      Gib’ Sicherheit durch Routinen und Struktur.

Um was geht es also konkret und warum ist sind diese Empfehlungen effektiv für deine Führungsarbeit?

 

1.      Frag‘ nach: „Was brauchst du, um deine Aufgabe gut zu erledigen?“

Und plötzlich ist alles anders. Arbeitsalltag, Routinen und Gewohnheiten wurden im März 2020 auf den Kopf gestellt und einmal durchgeschüttelt. Manches was du immer schon so gemacht hast und sich bewährt hat macht heute keinen Sinn mehr, anderes arbeitet sich so langsam wieder in die Normalität zurück. Das Organisieren und die Gestalten der Arbeit ist heute anders und vielleicht bist du nach wie vor auf der Suche nach der neuen Normalität mit Beständigkeit. Genauso wie deine Kollegen, deine Vorgesetzte und deine Teammitgleider. Die gute Nachricht ist: Fragen haben immer noch Bestand!

Den Spruch „Wer fragt, der führt!“ kennen wohl die meisten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Obwohl sich der Spruch leicht einprägt und auch stimmt, finde ich ihn etwas zu simpel. Denn er stimmt nur zum Teil. Wer zuhört, wer Antworten gibt, wer entscheidet, wer berät, der führt eben auch. Zum Führen gehören mittlerweile mehr Facetten als lediglich kluge Fragen zu stellen und dann zu entscheiden. Es geht auch darum, Menschen miteinander zu verbinden und andere an eigenen Überlegungen zu beteiligen. Diese Aspekte sind gerade jetzt, wo effektive Führung in Krisenzeiten wichtiger denn je ist, sehr relevant.

Zurück zur Funktion von Fragen. Wozu sind Fragen also da? Wie kann ich sie effektiv einsetzen? Wenn wir davon ausgehen, dass Sprache und Kommunikation Wirklichkeiten konstruiert, dann richten Fragen relativ zügig den Fokus auf einen (neuen) Sachverhalt. Fragen haben das Ziel, Informationen zu generieren, Themen zu beleuchten und eine Idee vom Umfang der Sache zu bekommen. Fragen zeigen das Interesse, schaffen Nähe und sogar die Wertschätzung für das Gegenüber. Sie können ein Gespräch wunderbar strukturieren und lenken. Und sie geben Orientierung, weil Fragen ja auch etwas über die Fragenstellerin aussagen: Was sie interessiert und über was sie nachdenkt. Also: Wer fragt,

        bekommt Infos

        zeigt Interesse

        schafft Nähe

        wertschätzt den anderen

        strukturiert das Gespräch

        lenkt den Fokus

        zeigt sich selbst

Aber die (aus meiner Sicht) wichtigste Funktion lässt sich an der Frage „Was brauchst du, um deine Aufgabe gut zu erledigen?“ ablesen. Sie holt den Gesprächspartner mit in die Verantwortung, denn der wird dazu aufgefordert, transparent zu machen was er für seine Arbeitsfähigkeit braucht. Die Frage ist darauf ausgerichtet, dass das Gegenüber am Besten weiß, was sie/er für das Arbeiten benötigt. Das ist wichtiger denn je, denn dadurch, dass wir alle gerade nicht wissen, ob wir zukünftig 80% unserer Bürotätigkeit online und im Home Office erledigen und weitaus mehr chatten als persönliche Gespräche führen werden. Das bedeutet in der Führungsarbeit, die Verantwortung zu teilen und gemeinsam zu erörtern, welches die momentan idealen Arbeitsbedingungen für das Individuum wären. Dass die Vorstellungen mit denen des Teams, der Abteilung und den betrieblichen Rahmenbedingungen abgeglichen und verhandelt werden, ist klar.

Was heißt es eigentlich, arbeitsfähig zu sein? Sie ist die Fähigkeit im Hier und Jetzt mit voller Aufmerksamkeit, Energie und Kompetenz seine Aufgabe zu erledigen. Das liest sich jetzt vielleicht wie die Idee einer selbstoptimierten Arbeitskraft, die mit nie weniger werdender Energie immer konzentriert ist und alles richtig macht. Und das immer gleich und immer exakt. Davon halte ich nichts. Menschen brauchen Phasen, in denen sie abschalten und unaufmerksam sein können. Phasen, in denen sie durchschnaufen können, um wieder Energie zu tanken. Menschen machen Fehler, sie brauchen unbeobachtete Räume, in denen sie sich ausprobieren und lernen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass solche Phasen auch zu einer erhöhten Arbeitsfähigkeit beitragen können. Das ist nichts Neues und doch gelingt es vielen Menschen, die sich und/oder andere führen im Alltag noch nicht. Mit arbeitsfähig sein meine hier also die effektive Zeit, in der Menschen voll konzentriert und präsent sind. Ob Krise oder nicht: Häufig sind Menschen eingeschränkt in ihrer Arbeitsfähigkeit, dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Zum Beispiel diese:

 

Äußere Rahmenbedingungen und Reize:

Im Home Office sind die Rahmenbedingungen dann doch andere als im Büro. Viele sitzen am Küchentisch oder in der Abstellkammer an provisorischen Tischen. Plötzlich spielen Dinge wie eine durchgehend funktionierende Technik und Arbeits-Equipment, ein angemessener Sitz- oder Stehplatz, oder auch flexible Arbeitszeiten eine sehr große Rolle. Es geht dabei auch um äußere Reize wie Lautstärke, Hintergrundgeräusche und Licht und so weiter. Diese ganzen Aspekte sind elementar und die Basis, um sich im wahrsten Sinne des Wortes an die Arbeit zu machen.

Häufig sind es einfach und schnell umzusetzende Dinge, die jedoch beim anderen eine große Motivation auslösen oder auch einer Erleichterung verschaffen. Ich denke da an triviale Dinge wie einen Bildschirm anstatt am Laptop zu arbeiten, einen bequemen Stuhl, Stehtisch für Personen mit Rückenproblemen, die Möglichkeit länger als 45 Minuten Mittagspause zu machen und es am Abend „dranzuhängen“, Online Konferenzen ohne Video-Funktion, usw.

 

Mentales und Zwischenmenschliches:

Klienten sind immer wieder überrascht, wenn ich ihre Arbeitsfähigkeit in Zusammenhang mit einer vorangegangenen mentalen Beanspruchung bringe. Mit mentaler Beanspruchung meine ich konfliktreiche, emotionale Gespräche mit Teammitgliedern, ungelöste Konflikte mit Kollegen, Unsicherheit, das Richtig/Angemessene zu tun, Auszuhalten, keine Lösung zu haben, innerhalb der Firma keine Unterstützung aus den Fachabteilungen zu erhalten, usw. Das sind mit oder ohne Krise fordernde Situationen.                                                                                                                   Ein Satz, den ich oft höre, ist: „Ja das mit meiner Kollegin nervt und strengt an, aber das passt schon!“ Gleichzeitig nimmt die Situation mit der Kollegin sehr viel Raum ein und taucht immer wieder an anderer Stelle auf. Ein guter Hinweis darauf, dass eine Situation doch noch nicht „passt“ und abgehackt ist, ist die Zeit, die gedanklich darauf verwendet wird. Und mehr noch: Wer immer wieder und kontinuierlich über eine Sache spricht, sich darüber aufregt, versucht zu erörtern, warum sich die Person so oder so verhalten hat, bearbeitet noch. Und dafür braucht man nicht nur Gedankenkapazität, sondern auch viel Zeit, die für anderes nicht mehr zur Verfügung steht. Hauptsächlich bei Unstimmigkeiten im Team, Konflikten unter zwei Kollegen, unausgesprochenen Themen kann man beobachten, dass die Beteiligten nicht mehr in der Lage sind, fokussiert zu arbeiten bis das Thema ausgesprochen und geklärt worden ist. Miteinander wieder ins Gespräch kommen ist hier also die Devise. Das geht natürlich auch online. Wenn du jedoch merkst, dass es zwischen zwei Mitarbeiterinnen Schwierigkeiten gibt oder es sogar im gesamten Team immer wieder knirscht, empfehle ich ein Präsenztreffen, um gemeinsam am gleichen Ort zur gleichen Zeit zu sein. Die Reaktion des Gegenübers ist sicht- und einschätzbar. Das sorgt dafür, dass man sich bei einer Aussprache sicherer und wohler fühlt als in einer Video Konferenz.

Hier geht es im Übrigen häufig um Bedürfnisse, die in schwierigen zwischenmenschlichen Situationen meist wenig oder gar nicht erfüllt sind. Zum Beispiel, sich anerkannt und gesehen zu fühlen oder sich im Kontakt mit den anderen zu fühlen. Wer sich also mit dem Team verbunden und im Austausch fühlt, überzeugt davon ist, zur Abteilung voll und ganz dazuzugehören (sich also sicher fühlt) oder durch Feedback der Führungskraft gesehen wird, ist arbeitsfähiger. 

 

Energie und Leistungsfähigkeit:

Darüber wird in den Büros im Wirtschaftskontext nach wie vor noch wenig gesprochen. Warum eigentlich, frage ich mich, denn die folgenden Faktoren sind so naheliegend und essentiell für die Arbeitsfähigkeit und dennoch finden sie wenig Beachtung. Vielleicht, weil es viele als grenzüberschreitend oder anmaßend empfinden, mit der Vorgesetzten oder dem Mitarbeiter über den Energiehaushalt und die Vitalität zu sprechen. Vielleicht aus Scham. Ich jedenfalls empfehle jedem, der bemerkt, dass er häufiger nicht konzentriert und effektiv arbeiten kann, öfter gereizt ist als nicht oder immer wieder sehr erschöpft ist, die körperlichen Grundbedürfnisse abzuchecken. Zum Beispiel mit diesen Fragen:

        Wann habe ich zuletzt eine Pause gemacht, in der ich mich wirklich erholen konnte?

        Schlafe ich ausreichend und regelmäßig?

        Habe ich heute und die letzten Tage warm und nährreich gegessen?

        Wann habe ich mich das letzte Mal mehr als 30 Minuten bewegt, sodass ich ins Schwitzen kam?

        Wenn ich meine Atmung beobachte: Was fällt mir auf? Atme ich flach und schnell oder schaffe ich es wirklich ausreichend Luft auszutauschen?

Und wer Erschöpfung, Gereiztheit oder auch nur Unaufmerksamkeit beim Gegenüber bemerkt, kann im Gespräch die Fragen durchaus wertschätzend und auf Augenhöhe stellen. Beispielsweise, indem du zu Beginn, das was du wahrnimmst, aussprichst: „Ich nehme dich die letzten Tage etwas fahrig und hektisch wahr. Du sprichst sehr schnell und springst von Thema zu Thema ohne Punkt und Komma. Du wirkst so als hättest du die letzten drei Nächte kein Auge zu gemacht. Woran liegt das?“

Wenn du die Frage „Was brauchst du, um deine Aufgabe gut zu erledigen?“ stellst, seid ihr ja mittendrin im gemeinsamen Erörtern nach Lösungen. Hier noch einige weiterführende Fragen für das Gespräch:

        „Was kannst du dafür tun?“

        „Was kann ich dafür tun?“

        „Auf einer Skala von 0-10 (wenn 10 sehr hoch ist): Wo stehst du da gerade hinsichtlich deiner Arbeitsfähigkeit?“

        „Was würde dir helfen, einen Schritt in Richtung 10 zu kommen?“

 

2.     Hab‘ Verständnis für Befürchtungen

Krisenzeiten gehen immer auf plötzliche tiefgreifende Veränderungen zurück. Alles ist anders und keiner hat damit gerechnet. Da ist es nicht verwunderlich, dass viele Führungskräfte von Sorgen und Ängsten der Mitarbeiter berichten. Diese fürchten sich davor, sich anzustecken oder durch das Arbeiten im Büro vor Ort, die Familie nur noch eingeschränkt sehen zu können. Sie sind sich unsicher, ob und wann ihre Projekte, Vorhaben, Ideen wieder Gehör finden und wann dafür Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden. Sie sorgen sich um ihren Arbeitsplatz und ihre sichere Zukunft im Unternehmen.

Wer sich fragt, wie man am Besten mit Angst umgehen soll, der sollte folgendes wissen:

        Angst wird selten durch viele Fakten und Beschwichtigungen geringer.

        Angst ist mit viel Scham besetzt, weil wiederrum die mutige, tatkräftige, unverletzliche Person gesellschaftlich ein hohes Ansehen genießt und jemand mit Befürchtungen häufig als Weichei oder Bremser gilt.   

        Angst wird oft von einem wütenden Auftreten überdeckt; für viele ist es einfacher ihre Wut als ihre Sorge zu zeigen.

        Die Funktion von Angst ist, sich vor Gefahren zu schützen und die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit zu erhöhen.

        Angst ist eine wichtige Voraussetzung für Mut. 

Berechtigterweise kann man sich jetzt fragen in wieweit der Umgang mit der Angst einer Mitarbeiterin das Problem der Führungskraft ist. In der ersten Betrachtung würde ich sagen, es ist keinesfalls das Problem der Führungskraft. Bei näherer Betrachtung empfehle ich, sich mit den inneren Zuständen der Mitarbeiter auseinanderzusetzen, wenn sie direkten Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit und das Arbeitsergebnis haben. Hat ein Mitarbeiter große Befürchtungen, wenn er z.B. mit seinen Kollegen in einem Raum arbeiten oder er um 8 Uhr in der vollen S-Bahn zur Arbeit fahren soll, lohnt es sich auf jeden Fall, da genauer hinzugucken. Die Erfahrung zeigt, dass alleine das Nachfragen, Zuhören und der Versuch, es zu verstehen bereits sehr viel Entlastung bringt.

Wie gelingt es also Verständnis zu haben? Die Antwort ist: Gehe‘ nicht von dir selbst aus. Sei‘ dir bewusst, dass andere eine andere Geschichte, andere Erfahrungen, andere Trigger haben und sie dadurch anders mit Anforderungen umgehen. Begegne‘ deinem Gegenüber mit Respekt und Augenhöhe in der Haltung „Ich bin okay, du bist okay!“. Um jemanden zu verstehen, sollte man den anderen kennen, die Beweggründe, das Wertesystem, die Vorstellungen. Und wer jemanden kennenlernen möchte, sollte sprechen, fragen, zuhören. Eigentlich ganz einfach. 😊 Ach ja und vielleicht das Wichtigste: Niemand hat das Recht, den anderen aufgrund seiner Empfindungen abzuwerten oder zu beurteilen.

 

3.     Kommuniziere eindeutig.

Das Mittel, um zu führen ist Kommunizieren. Ohne Kommunikation ist Führen unmöglich und schon gar nicht das Führen in Krisenzeiten. Durch das Kommunizieren nimmst du Einfluss, wirst wirksam und kannst gestalten. Du wirst durch sichtbar und kannst präsent bleiben. Die aktuelle Situation erfordert von dir in der Führungsarbeit stetige Präsenz und Ansprechbarkeit. Daher meine klare Empfehlung: Erhöhe deine Kommunikationsfrequenz, in dem du

        dich mindestens 1x täglich dem gesamten Team mit einem „Hallo“ Zeichen sichtbar machst

        häufiger und in kürzeren Abständen über Arbeitsergebnisse und Unterstützungsmöglichkeiten sprichst

        dich regelmäßig nach dem Wohlbefinden oder der Situation zu Hause erkundigst und Interesse am Gegenüber zeigst

        Wert auf Einzelgespräche legst  – auch online

        besprechbare Informationen zügig weitergibst und einen Austausch darüber moderierst

        eindeutig machst, wann du mit wem über was sprechen möchtest.

        verbindlich äußerst, wann und wie du erreichbar bist.

Wenn sich etwas verändert, fehlt es im Übergang von Alt zu Neu an Verlässlichem. Niemand kann die Zukunft vorhersagen, keiner weiß zu jeder Zeit wie der Weg dahin mit Sicherheit aussehen wird. Vieles was besprochen, entschieden und vereinbart wurde, wird später wieder revidiert und etwas anderes vereinbart. Umbruchzeiten erfordern viel Ausdauer im Umgang mit Unsicherheit und Selbstmanagement. Kommunikation ist das zentrale Mittel, um zu führen. Ich lege immer und in Krisenzeiten insbesondere Wert auf eine klare, eindeutige Kommunikation ohne Nebelbomben und Nebenschauplätze.

Merke: Wer Orientierung geben möchte, spricht eindeutig. Wer eindeutig spricht und danach handelt, wird als glaubwürdig und verlässlich wahrgenommen.

Hier weitere Impulse für eine konstruktive, eindeutige Kommunikationsweise:

Lass‘ deinen Gegenüber wissen, was du konkret und tatsächlich meinst anstatt vorauszusetzen, dass ja eh alle Bescheid wissen. Das ist nicht gleichzusetzen damit, alles zu wissen und Lösungen der Zukunft parat zu haben. Im Gegenteil, sprich‘ mit deinem Team darüber, dass es aktuell wenig Verlässliches gibt, und dass sich die Rahmenbedingungen immer wieder ändern können. Vereinbare im Team, dass sich Dinge, die heute entschieden sind, morgen wieder anders sein dürfen. Das führt zu großem Verständnis für den schnellen Wandel und deine Glaubwürdigkeit bleibt.

Es geht also darum, möglichst wenig Interpretationsspielraum durch Sprache zu bieten und somit Sicherheit auszustrahlen. Beispiel: „Ich weiß nicht wie es konkret weitergeht. Aber ich weiß, dass ich morgen mit dem Chef darüber sprechen werde und dann von unserem Gespräch berichten kann.“

Eine Nebelbombe par exellence wäre: „Puh, ja ganz schön schwierig unsere Gesamtsituation und echt wackelig für alle von uns. Vielleicht gibt es die Hälfte unserer Abteilung Ende des Jahres nicht mehr. Oder vielleicht doch. Naja, morgen spreche ich mit dem Chef, obwohl der weiß ja auch immer nix. Die GF scheint auch noch ziemlich planlos zu sein. Oder sie weiß wie immer mehr als sie an Informationen rausgibt.“

Merke also: Selbst wenn du dir darüber, was Morgen kommen könnte nicht sicher sein kannst, gib‘ Sicherheit und Eindeutigkeit über den Prozess – Prozesssicherheit statt Ergebnissicherheit.

 

4.     Gib‘ Orientierung durch Struktur und Routinen

Routinen sind sogenannte Anker im Alltag. Sie

        sind wiederkehrende Handlungen, die mit wenig Absprache stattfinden

        sind quasi institutionalisiert – über sie wird nur in größeren Abständen neu verhandelt.

        geben Struktur und dadurch Orientierung.

        sind verlässlich und vorhersehbar und schaffen dadurch Sicherheit.

Und Anker brauchen wir alle immer, insbesondere in uneindeutigen Zeiten wie in diesem Übergang. Sie können dich und Team dabei unterstützen, euren Arbeitsalltag zu rahmen und zu strukturieren. Für viele ist es ein enormer Energieaufwand, (vor allem im Home Office) den Tag immer wieder selbst und neu zu sortieren. Die Rahmenbedingungen von außen und die Infrastruktur, die sonst selbstverständlich waren, fehlen. Damit meine ich den Weg zur Arbeit, die Mittagspause mit den Kollegen, der kurze Schnack in der Küche, das morgendliche gemeinsame Meet up vor Ort usw. Der strukturlose Raum will gefüllt werden. Momentan geht das vor allem Online und auch ziemlich gut. Ich habe weitere Ideen, wie du Routinen in deine Führung (in Umbruchzeiten) integrieren kannst.

 

Impulse für Anker und Routinen – online und offline :

        Geplante und regelmäßige Einzelgespräche: Viele Führungskräfte berichten davon, den Einblick in die Arbeit des Teams und den Kontakt zu verlieren. Sie kommen mit Führen auf Distanz weniger gut klar. Den anderen noch mehr zu vertrauen und keinen Kontrollreflex zu entwickeln stellt vielleicht auch dich vor eine Herausforderung. Die eher zufälligen, Gespräche im Vorbeigehen vor Ort geben doch mehr Orientierung als angenommen. Hier können regelmäßige, geplante Gespräche mit dem Individuum Abhilfe schaffen. Oft reichen ja schon 15-30 Minuten alle 5-7 Tage, um einen Eindruck von dem anderen zu bekommen. Fokus des Gesprächs ist weniger inhaltlich/fachlich, sondern auf die Zusammenarbeit und die gegenseitigen Erwartungen gemünzt. Der Effekt ist auf beiden Seiten ein großer und kann zu einer enormen Entlastung führen, da die Situationen und Menschen besser eingeschätzt werden. Das Kopfkino, also die eigenen Interpretationen werden überprüft.

        Outdoor Teamtreffen: Falls es von deinem Unternehmen (und der Länderregierung) nicht ausgeschlossen ist, könntest du ein Teammeeting draußen im Park, am Wasser, im Wald, im Firmenareal organisieren. Selbstverständlich mit Abstand und Hygieneregeln. Das Bedürfnis vieler nach „echtem“ Blickkontakt, danach die anderen gleichzeitig am selben Ort zu erleben und trotz vieler Teammitglieder auch mal zu zweit oder zu dritt zu sprechen und zu wissen wer gemeint ist, ist riesig. Dafür nehmen sehr gerne viele den Anfahrtsweg auf sich.

        Gruß zu Anfassen: Da mittlerweile fast alles online stattfindet sehnen sich viele nach etwas Haptischen, also nach Dingen, die zur selben Zeit am selben Ort und zum Anfassen sind. Sende eine Postkarte mit einem persönlichen Text oder Zitat. Oder ein Symbol für den Schreibtisch, das alle an das Büro, das Team, euer Vorhaben für 2021 erinnert. Oder etwas Brauchbares fürs Arbeiten wie ein Fachbuch, Notizheft, Stifte oder oder oder. Es geht nicht vorrangig darum, was es ist, sondern, darum, dass du dadurch Wertschätzung und Verbundenheit zeigst. 

        Morgendliches Meet up: Jeden Morgen/Mittag den Tag miteinander zu beginnen. Ersetzt die kurze Begegnung im Büro. Max. 10-15 Minuten. Ein kurzes Hallo, ein guten Morgen, ein „Ich werde heute bis 14 Uhr erreichbar sein“, ein „Ich bin heute im Büro vor Ort“, „

        Wochenbeginn/ Wochenabschluss: Das Team beginnt die Woche gemeinsam mit einem kurzen Online Stand up: Was liegt an? Was wollen wir diese Woche erreichen? Die Woche endet mit einem kurzen Review: Wie war’s? Was war besonders? Was soll nächstes Mal anders laufen? Was haben wir erreicht/abgeschlossen/angefangen?

        Das tägliche Hallo und Tschüss: Das lässt sich auch viel kürzer und kleiner etablieren, so schreibt jede aus dem Team, sobald sie erreichbar/online ist ein Hallo in die WhatsApp Gruppe oder über Microsoft Teams und dasselbe passiert mittags/abends, wenn man offline geht.  Eigentlich das Normalste der Welt, denn es schafft sofort Kontakt und Verbindung.

        Mahlzeit: Viele Teams gehen regelmäßig miteinander gemeinsam essen. Das dürfte in diesen Zeiten lange nicht mehr passiert sein. Gemeinsam online essen könnte vielleicht etwas still werden, da ja alle essen. Wer Stille und Redepausen gut aushält kann das einmal probieren. Für alle anderen ist vielleicht eher der Kaffee nach dem Essen eine Idee. 15-20 Minuten auf einen kurzen Kaffeeklönschnack.

        Tischnachbarn online: Für viele Programmierer ist es eine Selbstverständlichkeit, mit dem Team die komplette Arbeitszeit online zu sein. Das ist einleuchtend, denn deren Arbeit findet ausschließlich am Rechner statt und die Absprachen sind in manchen Phasen engmaschig. Möglicherweise ist das auch eine Idee für Tischnachbarn, die sich im Büro gegenübersitzen (oder saßen) oder Projekt/Fachverantwortliche, die es genießen, wenn der kurze Abstimmungsweg „über den Tisch“ wieder möglich ist. Nur halt online.

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